Les Hirondelles
Les Hirondelles – die Churer Beatles.
Gegründet 1962 als klassische Beatband – aktiv bis 1970 und dann wieder ab den 90er Jahren.
http://www.leshirondelles.ch/
10.12.2012
Salü Paul (Scherrer, Sologitarre & Bandgründer), du bist in Santo Domingo auf der Dominikanischen Republik zu erreichen?
Ja, seit 1974 lebe ich hier und führe das Chalet Suizo.
Nach den Hirondelles hatte ich anfangs 70er das Hasiland in Chur und dann zogs mich in die Ferne. Da ich der Hotellerie/Gastronomie wegen auf Kreuzfahrten war und bereits die halbe Welt bereist habe, wurde ich in der Dominikanischen Republik heimisch – aber der Musik bin ich treu geblieben, in meinem Restaurant hier in Santo Domingo ist jedes Wochenende Jam Session angesagt.
http://www.youtube.com/watch?v=z3O3q7vdRRQ&feature=youtu.be
Euer Schlagzeuger Charly hat mir bereits eine Anekdote mit Black Sabbath erzählt – weil ihr damals Englisch gesungen habt, dachte einer von Black Sabbath, dass ihr auch Englisch sprechen würdet und fragte „What Clock it is“ und ihr hättet euch verdutzt angeschaut und euch fragt, was der für ne Glocke meine.
(lacht) Ja, das war so – mein Bruder, der Sänger der Hirondelles, schrieb sich die Texte phonetisch auf. Und das klang halt dann ziemlich gut, weshalb die Engländer glaubten, wir wären Englischsprachig. Heutzutage ist Englisch quasi die Weltsprache – aber damals konnten nur sehr wenige Englisch.
Wie war das denn damals so? War die Beatlesmania hauptverantwortlich für diese Musik-Revolution?
Ja, das war eine ganz besondere Zeit – es war das erste Mal, dass sich die Musik in die Zivilschutzkeller und Probelokale verlegte. Man spürte die Revolte.
In diesen Tagen war der Urknall der Popmusik im Gange. Man spürte das an allen Ecken und Enden. Und deshalb sprossen die Bands wie Pilze aus dem Boden – sowas in der Art, hat es vorher nicht gegeben und wird es auch nachher nicht mehr geben. Es wurden in kürzester Zeit tausende Bands gegründet. Englische Bands überschwemmten die Schweiz.
Und wo hat man denn da überall gespielt?
In Zürich im Tropic, da spielten John Mayall und Mick Taylor, natürlich im Hirschen, dann in Basel im Krug oder im Atlantis oder in St. Gallen im Africana.Wir spielten überall. Z. Bsp. im Africana in St. Gallen – die hatten zwei Wochen lang den damals noch unbekannten Jeff Beck gebucht, mit dem damals noch komplett unbekannten Leadsänger Rod Stewart und dem Bassisten (!) Ron Wood der später bei den Rolling Stones Gitarre spielte. Nach drei Tagen rief uns das Africana an – niemand wollte die Jeff Beck Group sehen, also kamen die nach Chur – so spielten Jeff Beck, Rod Stewart und Ron Wood vor gerade mal dreissig Nasen in Chur.
Unglaublich, das ist ja der Knüller!
Weisst du, ich erzähl das nicht so oft – jemand, der die Zeit damals nicht miterlebt hat, glaubt einem das kaum.
Naja, ging mir ja genauso als mir der Eine an nem Colosseum-Konzert 1995 von Sabbath im Hirschen erzählte – ist eigentlich Wahnsinn, was damals alles abging und beinahe in Vergessenheit gerät
Es kommt noch besser, nach den Konzerten von der Jeff Beck Group mit Rod Stewart gingen wir in den Übungskeller einer befreundeten Band in Chur – und jamten bis vier Uhr morgens zusammen! Mit Rod Stewart und Ron Wood!
Schade gibt es so wenig Fotografien aus jener Zeit.
Ja, man muss sich vorstellen, damals ging es halt um die Musik. Man ging an ein Konzert, um die Musik zu hören. Nicht um ein Foti zu machen und das Foti rum zu zeigen und zu sagen, ich war an diesem Konzert. Ebenso war es für uns nicht wichtig – wir wollten Musik machen. Ausserdem waren die Fotokameras dazumals nicht so weit verbreitet wie heute - nicht jeder hatte eine. Aber vermutlich war das halt auch das Privileg dieser Zeit – wir waren mit „Revolution“ beschäftigt und machten uns keine Gedanken, dass es eigentlich toll wäre, das Ganze zu dokumentieren.
Nun konkret zu Black Sabbath – erinnerst du dich an die?
Es waren damals ja Unmengen an englischer Bands hier. Aber als Sologitarrist war ich natürlich immer an den anderen Sologitarristen interessiert. Und deshalb ist mir Black Sabbath in Erinnerung geblieben – obwohl ich nicht mehr sagen kann, ob die bereits unter dem Namen Black Sabbath aufgetreten sind. Den Gitarristen, den behielt ich im Auge, der hatte einen eigenen Stil.
Du meinst sicherlich, die legendären Riffs von Tony Iommi?
Ehrlich gesagt Nein – ich erinnere mich vor Allem an sein Solo-Spiel. Das hatte was sehr Eigenes. Ich kannte niemanden der ähnlich spielte. Deshalb hab ich die Band nie aus den Augen gelassen. Und tatsächlich, ein halbes Jahr später waren die doch prompt in der Hitparade. Da hab ich auch erfahren, dass die Black Sabbath heissen. Aber der Gitarrist, an den erinnere ich mich noch genau.
Black Sabbath waren ja quasi der Urknall des Heavy Metal – hat man damals schon gemerkt, dass hier was Besonderes ist?
Ehrlich gesagt Nein. Aber das liegt auch an der Zeit – die ganze Zeit damals war Aufbruchstimmung pur, Revolution etc. Da waren so viele Bands die ebenfalls „extrem“ und „neu“ gespielt haben.
Gemäss Eurer Homepage hättet Ihr damals jeweils die Abende abgewechselt
Ja, das war manchmal so, richtig.
Wie muss man sich den Hirschen-Club vorstellen?
Nun, das war ne Räuberhöhle. Aber für Musikfans. So viele Zuhälter und Nutten wie du erwähnt hast, hab ich nicht gesehen – klar, das Niederdorf war damals die Sündenmeile von Zürich. Heute hat sich das vermutlich an die Langstrasse verlagert – aber damals war das schon alles im Niederdorf zugegen.
Den Hirschen selbst muss man sich so vorstellen – man kam durch die kleine Tür rein – war mehr eine Schranktür und dann war gleich links die Bühne und rechts die Bar. Später in den 70ern gabs dann weiter hinten ne grössere Bühne. Aber als wir dort spielten war das noch klein und fein.
Gab es viele Besucher?
Das variierte Stark. Aber wir von Seiten Hirondelles, wir liebten es im Hirschen zu spielen – das Publikum ging mit und es machte Spass. Gut, wir spielten natürlich meist an den Wochenenden dort, da wir unter der Woche in die Schule mussten.
Aber der Hirschen, das war für Musikliebhaber.
Habt Ihr dort übernachtet?
Ja, das war gleich einen Stock höher – ganz alte Räume, mit alten Holzbalken und tiefen Decken. Meist pro Band ein Raum.
Seitens Black Sabbath wird immer wieder erwähnt, dass der „Mad Doctor“ mit seinem „No Drum Solos“-Verbot dazu gebracht hatte „War Pigs“ zu schreiben, weil Sie so das Schlagzeugsolo in Jam-Sessions verstecken mussten – erinnerst du dich an den Dr. Schwarzwald.
Klar, der war eine Nummer für sich. Ein griesgrämiger, nervöser Typ. Ich weiss noch, dass er ein Instrument besonders hasste – wusste nicht mehr welches, aber wenn du das mit den No-Drum-Solos sagst, vermute ich mal, dass es das Schlagzeug war. Jedenfalls war der ein kleiner Giftzwerg. Nie gut drauf, immer auf dem Sprung.
Erinnerst du dich an die Bardame – Sie war ja die Tochter vom "Mad Doctor"
Ja, ich erinner mich schon an Sie. Ich hatte mal fürchterliche Zahnschmerzen und die gab mir irgendwas und meinte, dann würde es besser. Das war vermutlich was anderes als Schmerzmittel – als ich grüne Männchen auf mich zulaufen sah, verfrachteten sie mich in den ersten Stock in unser Zimmer.
Herzlichen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und ich dir ein paar Fragen stellen durfte! Grossartig, diese Geschichten von einem Zeitzeugen zu hören!